Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen – den Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen | 16.08.2017
Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen geht es zu einen darum, gemeinsam zu ermitteln, ob und inwieweit tätigkeitsbezogene Fehlbelastungen bei den Merkmalsbereichen Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und Umgebungsfaktoren vorhanden sind und wie diese minimiert werden können. Ebenfalls sollen neue Arbeitsformen wie mobile Arbeit, Jobsharing, virtuelle Teams, Homeoffice, Crowdworking.
Um mit diesem Prozess erfolgreich starten und zu einem kontinuierlichen Bestandteil der Unternehmensabläufe werden zu lassen, muss die Geschäftsführung von Beginn an dahinter stehen und sich alle Beteiligten auf einen offenen, vertraulichen, wertschätzenden, wohlwollenden und transparenten Umgang miteinander verständigt haben! Beschäftigte und Führungskräfte müssen gleichermaßen mitgenommen werden.
Außerdem ist ein längerer Atem von Nöten, da bis zu der Festlegung von Maßnahmen ca. ein halbes Jahr einzuplanen ist!
Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme auf der Grundlage betrieblicher Daten. Anschließend sind in den festzulegenden Arbeitsbereichen mögliche psychische Fehlbelastungen tätigkeitsbezogen zu ermitteln. Dabei können qualifizierte Mitarbeiterbefragungen, Workshops oder Beobachtungsinterviews, möglicherweise auch durch qualifizierte externe Institutionen (u.a. Krankenkassen) unterstützend eingesetzt werden.
Wichtig ist, dass die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen umfassend durchgeführt wird, das bedeutet u.a., dass die Ressourcen (u.a. finanziellen Mittel) auch für die Umsetzung der Maßnahmen, der Wirksamkeitskontrolle und der Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung reicht und der Prozess nicht auf der Hälfte der Strecke abgebrochen wird.
Die Maßnahmen sind das Herzstück der Gefährdungsbeurteilung. Hierbei führt eine ganzheitliche Herangehensweise zum größtmöglichen Erfolg. Keinesfalls sollten Vorschläge zerredet oder Maßnahmen halbherzig entwickelt und umgesetzt werden, das wäre Ressourcenverschwendung.
Maßnahmen entwickeln sich aus den Ergebnissen von Befragungen, Workshops oder Beobachtungsinterviews. Sie müssen in Abstimmung aller Beteiligten nach Dringlichkeit priorisiert terminiert und durch die Verantwortlichen dann auch zügig umgesetzt werden.
Primärpräventive Maßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel:
Eine verbindliche Stressleitlinie für Führungskräfte und Beschäftigte | Verbindliche Regelungen zu Erreichbarkeit: E-Mail/Telefonie/ sozialen Medien | Kompetenzsteigernde Schulungen für Beschäftigte und Vorgesetzte
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Flexible, familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung/ Pausenmanagement/ vorwärtsrotierendes Schichtmodell (max. 3 Nachtschichten hintereinander) vorausschauende Dienstplangestaltung | Konzept zur Vermeidung von Störungen und Unterbrechungen | Regelmäßige Begehung von Arbeitsplätzen unter Betrachtung ergonomischer und Umgebungsfaktoren (z.B. Beleuchtung, Lärm) |
genaue Stellenbeschreibung/ Aufgabenübertragung | Angebote zu Bewegung, Entspannung | Vorausschauende Personalplanung Wechsel-/Mischtätigkeit anbieten |
angemessenes Unterweisungsmanagement | Diversitymanagement | formelle und informelle Regelungen zur Informations- und Wissensweitergabe |
Lärmminderungs-, Raumklima-Beleuchtungskonzept, | Schulungs-, Qualifizierungskonzept, | Aufgabenzuweisung entsprechend der Qualifikation |
aktives Beteiligungs-/Vorschlagwesen ("Kummerkasten, plausibles Vorschlagwesen) | formelle und informelle Regelungen zur Informations- und Wissensweitergabe | Arbeitsmedizinische Vorsorge z.B. Nachtarbeit (ArbZG) Fahr-/Steuer-/Überwachungstätigkeit Höhentauglichkeit |
Sekundärpräventive Maßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel:
Inanspruchnahme arbeitsmedizinischer Wunschvorsorge „Psyche“ | Verbessern der Stresssignalwahrnehmung (z.B. durch Online Tool) für Beschäftigte und Führungskräfte | ganzheitliches, vertrauliches, lösungsorientiertes BEM, das der Erhaltung/Wiedererlangen der Gesundheit dient (in Kontakt bleiben, Vertrauen aufbauen, Überforderung vermeiden, Kolleg/innen einbeziehen,) |
Angemessener Umgang mit Vertretungsregelungen | Information zu niederschwelligen Beratungsangeboten | abgestimmte Beschaffung von ergonomischen Mobiliar (z.B. Höhenverstellbarer Tisch, ergonomische Maus, ergonomischer Stuhl, Software) |
Vorausschauende Anpassung von Arbeitsplätzen / Arbeitsaufgaben (z.B. von Nachtschicht zu Tagesarbeitsplatz | Maßnahmen aus einem Employee Assistance Program (EAP) | Unterstützende Maßnahmen innerhalb eines Teams (Umverteilung von Aufgaben) |
Tertiärpräventive Maßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel:
Individuelle Arbeitszeit/ Pausenregelungen | Telearbeit, um medizinische, ergotherapeutische Behandlungen besser wahrnehmen zu können | Beantragung von finanziellen Zuschüssen für Arbeits- und Hilfsmittel/Beschäftigungs-sicherungszuschüsse beim zuständigen Integrationsamt (bei Schwerbehinderung/Gleichstellung) |
Veränderung der Arbeitsaufgabe (mehr eigenbestimmtes Handeln) | Einladen des Integrationsfachdienstes zur Feststellung der Beeinträchtigungen | Bauliche Änderungen zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen (z.B. Rampen) |
Die anschließende Wirksamkeitskontrolle nach einem festgelegten Zeitraum ermöglicht Nachsteuerungen oder Änderungen der Maßnahmen. Dieser Prozess muss, im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, regelmäßig fortgeführt und dokumentiert werden.
Autor: Stefan Johannsen, Diplom-Biologe
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